Gruppentherapie

In meinen seit 1984 bestehenden “Slow open-groups“ (langlaufende Gruppen mit langsamen Wechsel der Mitglieder) soll man Gelegenheit finden, eingebettet in ein heilendes „Wir-Erlebnis“, seine aktuellen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, wie auch seine Charakterkonflikte, die sich gegenüber dem Therapeuten und den anderen Gruppenmitgliedern manifestieren werden, zu bearbeiten – wobei die Gruppe die Möglichkeit bietet, auch aus der Beobachtung Anderer selbst etwas zu lernen. (siehe: Karl König + Lindner: “ Psychoanalytische Gruppentherapie“)

 

Die TZI-Regeln

Hier einige Regeln (von Ruth Cohn), die den Beginn der Gruppentherapie erleichtern sollen:

Alle Regeln sind nur provisorische Richtlinien, die nicht dazu dienen sollen, die Unsicherheit schnell wieder unter Kontrolle zu bringen, weil wir gerade in unsicheren Situationen besser mit unserem Wesen in Berührung kommen, als wenn alles festgelegt ist.

  1. Sie bestimmen selbst, was Sie sagen. Sprechen oder Schweigen Sie, wenn Sie es wollen. Versuchen Sie, in dieser Stunde das zu geben, was Sie selbst geben und empfangen wollen. Sie tragen selbst die Verantwortung dafür, was Sie aus dieser Stunde machen. Sie brauchen sich nicht zu fragen, ob das, was Sie wollen den anderen Gruppenmitgliedern gefällt oder nicht gefällt. Sagen Sie einfach, was Sie wollen. Die anderen Gruppenmitglieder sind auch für sich verantwortlich und werden es schon mitteilen, wenn Sie etwas anderes wollen als Sie.

  2. Störungen haben Vorrang: Unterbrechen Sie das Gespräch, wenn Sie nicht wirklich teilnehmen können, wenn Sie gelangweilt, ärgerlich oder unkonzentriert sind; Sie verlieren sonst die Möglichkeit der Selbsterfüllung in der Gruppe, was auch einen Verlust für die ganze Gruppe bedeutet.

  3. Es kann immer nur einer sprechen! Was Sie zum Nachbar leise sagen wollen, sollen Sie also laut sagen.

  4. Experimentieren Sie mit sich! Fragen Sie sich, ob Sie sich so verhalten, wie Sie es wirklich wollen, oder wollen Sie sich eigentlich anders verhalten, tun es aber nicht, weil es Angst macht. Prüfen Sie, ob Sie sich in neue Situationen un neue Kontrakte hineinbegeben, oder ob Sie diese vermeiden. Beim Ausprobieren eines neuen Verhaltens werden Sie zuerst sehr unsicher sein; Sie müssen sich selbst entscheiden, ob Sie diese Unsicherheit tragen wollen.

  5. Beachten Sie Ihre Körpersignale; um besser herauszubekommen, was Sie im Augenblick fühlen und wollen. Der Körper weiß oft mehr über die Gefühle und Bedürfnisse als der Kopf.

  6. Sprechen Sie möglichst direkt, beginnen Sie Ihre Sätze mit „Ich“ statt mit „man“ oder „wir“, weil Sie sich hinter diesen Sätzen so gut verstecken können und nicht die Verantwortung tragen brauchen für das, was Sie sagen. Bei „man“ oder „wir“ sprechen Sie für Andere, won denen Sie gar nicht wissen, ob Sie das wünschen. Sagen Sie lieber Ihre eigene Meinung, statt Fragen zu stellen, weil solche Fragen oft ein Weg sind, seine eigene Meinung zu verstecken. Wenn Sie jemand aus der Gruppe etwas mitteilen wollen, sprechen Sie ihn direkt an und zeigen ihm durch Ihren Blick, wen Sie meinen. Sprechen Sie nicht über einen dritten zu einem anderen, und sprechen Sie nicht zur Gruppe, wenn Sie eigentlich einen ganz bestimmten Menschen meinen.

  7. Geben Sie “Feedback“, wenn Sie das Bedürfnis haben (also sagen Sie, wie Sie gefühlsmä8ig reagieren): Löst das Verhalten eines Gruppenmitgliedes angenehme – oder unangenehme Gefühle bei Ihnen aus, teilen Sie es ihm sofort mit (und nicht später einem dritten). Sprechen Sie dabei nicht über das Verhalten des anderen mit Spekulationen und Bewertungen, sondern sprechen zuerst einfach von den Gefühlen, die das Verhalten des anderen in Ihnen ausgelöst hat. Danach können Sie versuchen, das Verhalten des anderen konkret zu beschreiben, damit er begreifen kann, welche Verhalten Ihre Gefühle ausgelöst hat.

 
 

Gedanken zur Gruppentherapie

Im Zentrum der Behandlung für viele Störungen steht die Gruppentherapie.

Es wirkt auf manche zunächst etwas erschreckend und ungewohnt, vor Fremden etwas von sich preis zu geben, was man sich vorher vielleicht nicht einmal selbst eingestanden hat; lassen Sie sich also Zeit, bis Sie die Gruppe etwas kennen; im übrigen bestimmen Sie selbst, was Sie in der Gruppe von sich mitteilen wollen. Nehmen Sie sich selbst von Anfang an ernst, nehmen Sie nicht die Gefühle der Mitpatienten ernster als Ihre eigenen, sonst gehören Sie zu jenen, denen es allzu schnell gut geht, aber nachher hat sich kaum etwas geändert. Schließlich gilt es, den eigenen Weg zu finden, wie Nietzsche sagt: „Es gibt einen Weg, den kann niemand gehen außer Dir: frage nicht wohin er führt, sondern gehe ihn“. Manche teilen auch erst am Ende der Therapie etwas von sich mit und gehen dann heim im Gefühl, wieder eine Chance zu verpaßt haben. Dass Gruppentherapie für viele gute Erfolge hat, ist erwiesen. Eine Gruppe bedeutet auch für manche eine Erleichterung gegenüber der Einzeltherapie, denn sie sehen, dass andere auch ganz ähnliche Probleme haben, und dass für keinen das Leben ein reines Vergnügen ist. Laufen Sie nicht zu schnell von der Gruppe davon. Sie können im Endeffekt nur gewinnen, wenn es auch mal unangenehm wird. Die ersten Schritte in der Therapie sind oft entmutigend und machen Angst, die Beschwerden nehmen manchmal sogar zu. Das kommt nicht nur von der ungewohnten Situation und den neuen Leuten, sondern ist oft ein Zeichen, dass einer anfängt, sich mit seinen Konflikten und seinen dunklen Seiten, die er mit Mühe vergessen hat, zu befassen und auseinanderzusetzen. Die Therapeuten nennen das „Anfangsverschlechterung“ oder „Labilisierung“, und sehen darin in der Regel einen Hinweis, dass die Therapie in Gang gekommen ist. Wenn ein Patient den nutzlosen Versuch aufgibt, sich einfach nur besser fühlen zu wollen und einsieht, dass er sich statt dessen mit sich selbst auseinandersetzen und umstellen muss, dann hat die Therapie begonnen. Therapie braucht einige Zeit, selbst bei noch so viel Anstrengung lässt sie sich nicht zu sehr beschleunigen, auch nach 2 Jahren geht der Prozess der Stabilisierung und Selbstfindung weiter. Die Themen „Ich habe kein Vertrauen in die Therapie……, in die Gruppe……, zum Therapeuten…..“ sollten, wie alle Gefühle und Probleme in der Gruppe ausgesprochen werden. Wir sollten uns in der Therapie weniger um das „Richtig“ und „Falsch“ bemühen, wie wir es tun mußten, um den Eltern zu gefallen und angenommen zu werden. So haben wir gelernt, Teile unserer Wünsche, Vorstellungen und Gefühle verschwinden zu lassen, um nicht böse, lächerlich, unmöglich dazustehen, denn das machte große Angst, die wir als Kinder nicht ertragen konnten. Wir haben als Kinder manches nicht gelernt, weil das zu viel Angst gemacht hätte: z.B. uns mit unseren Mitmenschen auseinanderzusetzen. In der Therapie bemühen wir uns auch, uns selbst wieder auf die Spur zu kommen, und verschüttetes wieder auszugraben, verlorene Fähigkeiten wieder zu entwickeln. Das „Richtig und Falsch“ spielt da zunächst einmal keine Rolle, ja es behindert zunächst.

Wir suchen Hilfe beieinander und merken auch immer wieder, dass wir sie bekommen. Bei genauerem Hinsehen werden wir aber sehen, dass es weniger die guten Ratschläge waren, die uns geholfen haben, zu uns selbst zu finden und zu unseren eigenen Kraftquellen zu kommen, meist war es die Tatsache, dass wir unsere Gefühle und Schwierigkeiten den Anderen mitteilen konnten, die verstanden und Anteil nahmen. Dass wir auch streiten konnten und Wut zeigen konnten, dass wir uns aneinandersetzen konnten und dass trotzdem der Kontakt nicht abbrach. Man muss allerdings schon sehr entschlossen sein, bevor man die Mühen auf sich nimmt, neue Wege zu gehen; vielleicht werden auch manche lieber Tabletten nehmen, um die unbequemen Gefühle (Angst, Unsicherheit, Schmerz, Trauer, Schuld, Scham) wieder zu unterdrücken.

 

Zur Psychodynamik von Klettersteig-Bergbesteigungen in Therapiegruppen

Einleitung: Therapeuten wissen, dass für eine erfolgreiche, aufdeckende, konfliktbearbeitende Therapie vermehrt seelische Energien aufgewendet werden müssen („die Hälfte der seelischen Energie muß für die Therapie zur Verfügung stehen wenn die Therapie Nutzen bringen soll“ Hellinger) In der Traumatherapie gilt es geradezu als Kunstfehler, an die „heißen Eisen“ heranzugehen, ohne die Ich-Kräfte vorher stabilisiert zu haben, ohne die Resourcen (oder die „Resilienz“) aktiviert und stabilisiert zu haben, so dass die „Selbstheilungkräfte“ wieder eine Chance haben.

Der neuere Forschungszweig der Salutogenese (Gesundheitsentstehung) im Gegensatz zur Pathogenese (Krankheitsentstehung) wird in der Medizin zunehmend ernstgenommen. Die generellste Therapie wäre die, sich o.k. zu fühlen. Sobald ein Nicht-o.k.-Gefühl entsteht, ist der Mensch anfällig für Angst und die daraus entstehenden Neurosen. „Versäumt nicht zu üben, die Kräfte des Guten!“ (Goethe)

Antonowsky (1923-1994) nennt die Kräfte, die uns sicher sein lassen, dass wir jeder Störung und Krankheit irgendwie gewachsen sein werden und nicht hilflos und allein ausgeliefert sind, „generalisierte Widerstandsresourcen“. In langer Forschung identifizierte er stark- und gesund machende Persönlichkeitsfaktoren und nannte jene Kraft, die die berühmten „Unverletzlichen“ auszeichnet ,das „Kohärenzgefühl“ (oder den Kohärenzsinn).

Jenes Selbstgefühl, das wir ja instinktiv kennen setzt sich nach Antonowsky aus 3 Komponenten zusammen:

  1. Ich werde das schon meistern (Handhabbarkeit).

  2. Irgendwie finde ich mich zurecht) (Verstehbarkeit).

  3. Mein Leben hat einen Sinn (auch wenn ich ihn nicht kenne) (Sinnhaftigkeit).

 

Nun zum Gruppenbergsteigen: (das von 1984 bis 2013 bei uns starrfand) Schon nach einem Wochenende entsteht eine deutliche Zunahme des Kohärenzgefühl (17% nach unseren Testen). Die Freude nach Anstrengung und Angst auf dem Gipfel angekommen zu sein, die Steigerung des Verantwortungsgefühls für sich und die Anderen, das Erlebnis, dass die anfängliche Beklommenheit immer wieder dem Gefühl weicht „das werde ich schon schaffen“ und das intensive „Wir-Gefühl“ – und schließlich die Verinnerlichung danach in der Erinnerung: „ich habe alles heil überstanden“, tragen bei zu der Freude und dem starken Seinsbewußtsein, das im Dämmerlicht unserer Seinsvergessenheit aufleuchtet.S.a.: Achtsamkeit als Therapie-– Das Ankommen im Hier und Jetzt -die Kraft der Gegenwart. – Therapeutische Gemeinschaft. – Lernen am Modell – Die Lebenskraft der Kommunikation und des Spielerischen…

 

Weiterführende Literatur:

  • Ulrich Aufmuth: Das Bergsteigen und die Defizite des Selbsterlebens in unserer Gesellschaft S: 18-56 (in Aufmuth: Zur Psychologie des Bergsteigens).

  • Marilyn Mason: “Mutiger Aufstieg in Leben“ – Das Leben im Geist einer Bergtour führen (Walter, 1998). (Die amerikanische Psychotherapeutin war beeindruckt, wie die Anforderungen von Bergtouren jene Fähigkeiten verlangen und fordern, die auf dem inneren Weg des Wachstums notwendig sind. Als Gründungsmitglied von „Journeys Inward“ setzt sie das Abenteuer des Bergsteigens systematisch für die Selbsterfahrung ein. Was zum Katalysator jenes inneren Prozesses wird, der zu der Fähigkeit führt, ein vertrauens- und verantwortungsvolles Leben zu führen).

  • Verena Kast: Freude, Inspiration, Hoffnung

  • Eckhard Schiffer: Wie Gesundheit entsteht (Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung).